Besuch in der Stadtbibliothek | 8b & 8c zu Besuch beim Autor Michael Stavaric | 06/2018

21. Thüringer Literaturtage - nicht nur für die Öffentlichkeit auf der Burg Ranis, sondern auch für zwei Klassen des Gymnasiums Fridericianum
Die Schüler der Klassen 8b und 8c des Rudolstädter Gymnasiums hatten am 07. Juni 2018 das große Glück, im Rahmen der 21. Thüringer Literatur- und Autorentage, veranstaltet durch den Lese-Zeichen e. V., in der Stadtbibliothek von Rudolstadt einem Schriftsteller der unmittelbaren Gegenwart zu begegnen. Der Wiener Autor Michael Stavaric war dorthin gekommen, um sich selbst, seine schriftstellerische Tätigkeit und seine Werke vorzustellen.
Nachdem er von der Bibliothekarin Frau Keil begrüßt worden war, erfuhren die Schüler in groben Zügen etwas über seinen Lebensweg. Der Schriftsteller wurde in der ehemaligen Tschechoslowakei geboren, die er im Alter von 7 Jahren verlassen musste, weil seine Eltern mit ihm das Land verließen. Sie wollten ursprünglich nach Amerika auswandern, wo ihr Sohn Eishockeyspieler werden sollte, landeten aber in Österreich, weshalb Michael Stavaric erst einmal Deutsch lernen musste.
Allerdings unterscheidet sich dieses Deutsch deutlich vom Thüringer Dialekt, zumindest wenn es platt gesprochen wird. Davon erhielten die Schüler bei einer Leseprobe von Gedichten des Autors über das alte Wien im derben Wiener Dialekt eine Kostprobe. Auch wenn vieles verständlich war, die nachträgliche Übersetzung ins Hochdeutsche war unerlässlich, um tatsächlich den Inhalt zu erfassen.
Michael Stavaric hat auch für Kinder geschrieben, z. B. das Buch „Gaggalagu“ (mit Renate Habinger, 2006). Er erklärte den Begriff der Onomatopoesie. Durch seine Fremdsprachenkenntnisse war er darauf aufmerksam geworden, dass selbst klangmalerische Wörter, z. B. die Laute der Tiere – ein Muh oder Mäh – in verschiedenen Sprachen durch verschiedene Wörter übersetzt werden. Gaggalagu ist übrigens das isländische Wort für kikeriki. Der Autor benutzte diese Wörter für sprachspielerische Reime und lustige Kindergedichte.
Ein anderes Buch, aus dem er vorlas, war „Europa, eine Litanei“ (2006). Der Text wurde von ihm in endlosen Sätzen geschrieben, sozusagen ohne Punkte als Satzgrenzen. In einer unendlichen Aufzählung hat er unglaublich erscheinende, absurde Tatsachen zusammengetragen und durch selbst erfundene analoge aberwitzige Dinge ergänzt. Das soll den Leser dazu anregen, darüber nachzudenken oder gar nachzuforschen, was der Wirklichkeit entspricht und was nur eine ausgedachte Geschichte ist. Gerade jetzt, im Zeitalter von Fake-News, ist das eine Geschichte zur rechten Zeit, die darauf aufmerksam macht, wie schnell man dabei ist, sich auf die falsche Fährte locken zu lassen. Die Schüler konnten sich danach einmal ausprobieren. Ob das wahr ist, dass in Italien Weinflaschen mit dem Hitlerbild auf dem Etikett verkauft werden? Kann es sein, dass diese ausgerechnet bei Deutschen als Souvenir gut ankommen? Gibt es in New York ein Gesetz, das Frauen erlaubt, mit nacktem Oberkörper U-Bahn zu fahren? Oder dürfen Feuerwehrleute in einer amerikanischen Stadt sich weigern, Frauen aus einem brennenden Gebäude zu retten, wenn sie zu leicht bekleidet sind? Die Schüler durften einen Tipp abgeben und dann erklärte der Autor, was an diesen Sachen wahr war oder was er sich nur ausgedacht hatte. Die Wirklichkeit bringt manchmal wahre Schildbürgerstreiche hervor, und wir müssen das ändern, und Falschaussagen müssen wir erkennen und dürfen uns nicht darauf einlassen.
Das letzte Werk, das Micheal Stavaric vorstellte, war der Roman „Gotland“ (2017). Darin nimmt der Ich-Erzähler, der von der alleinerziehenden Mutter, einer Zahnärztin aus Wien, streng katholisch erzogen wird, die Bibel, die Gleichnisse, die darin enthalten sind, zu wörtlich und kommt dadurch zu skurrilen Verhaltensweisen, was ein Nachdenken des Lesers provozieren soll.
Auf jeden Fall hat die Veranstaltung die Schüler sehr angesprochen und sie befanden sich schnell in einem Dialog mit dem Autor und konnten viel Neues, Wissenswertes mitnehmen. Der Vormittag war eine gelungene Lektion.
Text und Fotos: B. Abt | 06/2018